Montag, 16. August 2010

SKANDINAVIEN - von Kopenhagen zum Nordkap!

Wachwechsel in Kopenhagen
 Am 5. Januar 1977 reiste ich über die Vogelfluglinie Puttgarten - Roedby mit meinem AUDI 100 nach Kopenhagen, (Reisetipp "Kopenhagen") um bei unserer befreundeten Firma NIRO ATOMIZER A/S meinen Dienst als Kooperations-Ingenieur anzutreten (siehe auch meinen Reisebericht "Honduras"). Dieser Auslandsaufenthalt wurde von meiner eigenen Firma WIEGAND Karlsruhe GmbH finanziert und sollte drei Jahre dauern. Anfang Februar 1977 kam im Rahmen des Umzuges von Karlsruhe nach Farum (bei Kopenhagen) auch meine erste Frau ULLA und mein Sohn Jochen (damals 6) nach.

Da der Ausgangspunkt ca. 1.000 km nördlicher lag, war es naheliegend, in den Sommerferien die Abenteuer-Tour zum Nordkap zu wagen (die Gesamtstrecke verkürzte sich so von 7.300 auf 5.300 km). Und dann interessierte uns auch die berühmte Mitternachtssonne. Mein dänischer Kollege Joergen Hansen hatte diese Reise im Jahr vorher unternommen und gab mir nützliche Tipps. Vor allen Dingen wies er mich auf die zahlreichen Holzhütten hin, die es auf fast jedem Campingplatz in Skandinavien gab und die man auch für eine Nacht mieten konnte.

Am Montag, den 20. Juni 1977, starteten wir bei herrlichem Wetter von unserem Wohnort Farum (ca. 20 km nördlich von Kopenhagen), zu unserer spannenden Reise in Richtung Norden. Die erste Etappe nach Helsingör und mit der Fähre nach Helsingborg in Schweden kannten wir bereits von einem Ausflug Anfang April 1977. Damals war es noch sehr kalt und entsprechend winterlich gekleidet besuchten wir das "Hamlet-Schloss" Helsingör am Öresund. Uns imponierten auch die zahlreichen, älteren Kanonen, die immer noch in der Position waren, um die Einfahrt in den Öresund zu kontrollieren.

Nach einer Dauer von ca. 20 min kam die Fähre auf der gegenüberliegenden, schwedischen Seite in Helsingborg an. Bei dem Ausflug im April entdeckte meine Frau in den Geschäften von Helsingborg sehr schöne Glasarbeiten (Gläser, Kerzenhalter usw.). Daraus entwickelte sich später für mich die verantwortungsvolle Aufgabe, diese empfindlichen Waren im Rahmen unserer Besuche bei unseren alten Bekannten und Verwandten nach Süddeutschland zu transportieren. Für entsprechende Einkäufe war aber auf dieser Nordkap-Tour keine Zeit, denn als erste Reise-Etappe wollten wir Stockholm in ca. 600 km Entfernung erreichen. Dazu fuhren wir auf der E04 über Jönköpping über Norrköpping dem Tagesziel entgegen.

Seit dem 1. Juli 2000 gibt es eine weitere Möglichkeit, über den Öresund nach Schweden zu gelangen: die Öresundbrücke. Auf ihr fährt man in 10 Minuten von Kopenhagen in Dänemark nach Malmö in Schweden. Die 16 km lange Überquerung beginnt auf der dänischen Seite mit einem 4 km langen Unterwassertunnel, der direkt unter der Einflugschneise des Kopenhagener Flughafens liegt. Der Tunnelausgang liegt auf der künstlichen Insel Peberholm (Pfefferinsel - daneben liegt Saltholm, die Salzinsel). Dort beginnt die Auffahrt auf die 7.845 m lange Brücke mit einer Durchfahrtshöhe von 57 m. Über 2.000 Fahrzeuge rollen täglich über die Brücke, die 2 Milliarden Euro gekostet hat, und nun über Mauteinnahmen (28,30 € für die einfache Fahrt) refinanziert wird.

Dies war übrigens nicht der erste Kontakt mit Schweden: In der Zeit vom Sonntag, den 29. April, bis zum Dienstag, den 1. Mai 1973, begleitete ich meinen Vorgesetzten, Abteilungsleiter Brand, auf einem Repräsentationsbesuch zu unserer befreundeten Firma NIRO ATOMIZER A/S in Kopenhagen. Eine größere Gruppe neuseeländischer Kunden aus der Molkereiwirtschaft befanden sich auf einer Rundreise durch Europa und sollten im Rahmen von Betriebsbesichtigungen mit unseren neuesten Anlagen vertraut gemacht werden. Am Sonntagabend fand ein gemütliches Beisammensein in der entspannten Atmosphäre eines Kopenhagener Kro statt. Dort stellte mich Herr Brand dem Managing Director von NIRO ATOMIZER A/S, Mr. Harry Larsen, vor.

Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass ich vier Jahre später als Mitarbeiter dieser dänischen Firma NIRO ATOMIZER A/S verantwortlich für einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren für den gesamten Eindampfanlagenbau im Konzern werden würde. Die Offenheit und Kontaktfreudigkeit meiner dänischen Kollegen lernte ich sehr schnell auf zahlreichen gemeinsamen Reisen zu schätzen. Und auf ihren Wunsch kam es auch zu der Entscheidung, mich Anfang 1977 als Koordinations-Ingenieur nach Kopenhagen zu berufen.

Am Montag, den 30. April 1973, fuhren wir mit dem Bus nach Helsingör und setzten mit der Fähre nach Helsingborg in Schweden über. Nach einer Fahrt von 30 km in östlicher Richtung erreichten wir die Molkerei AB Milkfood in Kaageröd. Dort war es meine Aufgabe, den interessierten Neuseeländern in englischer Sprache die Funktionsweise unserer WIEGAND-Eindampfanlagen im Betrieb zu erklären. Nach unserer Rückkehr konnte Herr Brand seine Freude über meine guten englischen Sprachkenntnisse gegenüber meinen Kollegen nicht verheimlichen.

Nach unserer Nordkap-Tour war ich wieder beruflich in Schweden. In der Zeit vom Mittwoch, den 28. September, bis zum Donnerstag, den 29. September 1977, begleitete ich meinen dänischen Kollegen, Dr. Pisecky, zu einem schwedischen Molkerei-Kunden in  Vänersborg. Dr. Pisecky war ein renommierter tschechischer Wissenschaftler von der Universität in Prag, der 1968 beim Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts nach Dänemark geflüchtet ist. Er war bei NIRO ATOMIZER für wichtige Produktentwicklungen sehr erfolgreich verantwortlich. In Vänersborg konnte ich mich sehr gut mit meinen - noch - begrenzten dänischen Sprachkenntnissen unterhalten. Da ich mich darüber wunderte (Schwedisch ist - im Gegensatz zu der norwegischen Sprache - verschieden vom Dänischen) fragte ich nach der Erklärung und man antwortete mir: "Wir haben Skandinavisch gesprochen!".

Nun wieder zu unserer Nordkap-Tour: Wir  kamen gegen 18 Uhr in Stockholm an. Ich bin mir nicht mehr ganz so sicher, welchen Campingplatz mit Blockhütten wir ausgewählt haben. Ich kann mich nur noch erinnern, dass er außerhalb von Stockholm in nördlicher Richtung lag. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich um einen Campingplatz bei Sollenturna, denn dieser lag an der E04 (diese hatten wir bisher benutzt und auf dieser wollten wir in nördlicher Richtung weiterfahren). Am Dienstagvormittag, den 21. Juni 1977, fuhren mit unserem gepackten Wagen zurück ins Stadtzentrum von Stockholm.

Dort interessierte uns besonders die "Gamla Stan" (die Altstadt) mit dem Kungliga Slott (Königliche Schloß), die Storkyrkan (Große Kirche) und die Tyska Kirkan (Deutsche Kiche). In diesem ältesten Teil von Stockholm ist der mittelalterliche Straßenverlauf noch erhalten und schattige, ruhige Plätze bilden Oasen der Erholung. Die "Gamla Stan" liegt auf einer Insel, die durch Brücken zu erreichen ist. Auf der Ostseite der "Gamla Stan" befindet sich der "Strömmen". Dort legen neben kleineren Fährschiffen auch Kreuzfahrtschiffe an. Früher ankerte hier der Dampfer Gripsholm - der Stolz der schwedischen Amerikalinie.

Bei der äußeren Besichtigung des königlichen Schlosses nahmen wir uns sehr viel Zeit (Jochen entdeckte auch ein interessantes, gußeisernes Pissoir der Jahrhundertwende) und hofften insgeheim, auch Königin Silvia zu sehen. Selbst in Kopenhagen war uns dies aber auch nicht mit Königin Margarete während unserer Zeit in Dänemark geglückt, obwohl sie für ihre Volkstümlichkeit bekannt ist und gerne alleine auf der "Ströget" einen Einkaufsbummel unternimmt. Später haben wir erfahren, dass in Schweden die königliche Familie im Schloß Drottningsholm (ca. 11 km entfernt in westlicher Richtung) lebt.

Es war schon ein besonderes Ereignis der damaligen Zeit als der schwedische Kronprinz Carl Gustav während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München die bildhübsche, deutsche Chef-Hostess Silvia Sommerlath kennenlernte und sich in sie verliebte. Am 19. Juni 1976 fand die Trauung in der Storkyrkan und die anschließende Feier im Kungliga Slott auf der Gamla Stan statt. Da er als Kronprinz bei der Heirat mit der Bürgerlichen Sylvia Sommerlath auf die Thronansprüche hätte verzichten müssen, wurde er 1973 zum König Carl XVI. Gustav gekrönt.

Am 14. Juli 1977 (also kurz nach unserem Besuch am 21. Juni 1977 in Stockholm) kam Victoria Ingrid Alice Desiree als erstes Kind des schwedischen Königspaares auf die Welt. Aufgrund dieser Situation wurde 1980 auf Initiative des Parlamentes die Thronfolgeregelung geändert: Von nun an gilt in Schweden bei der Königsnachfolge das Erstgeburtsrecht, d.h. auch Frauen dürfen regieren. Somit ist also Victoria die schwedische Thronfolgerin. Sie hat sich am 24. Februar 2009 mit dem Bürgerlichen Daniel Westling (dem Teilhaber eines Stockholmer Fitness-Studios) verlobt. Nach alter Tradition wird die prachtvolle Hochzeit am 19. Juni 2010 (genau 34 Jahre nach der Hochzeit der Brauteltern) dieses jungen Paares wieder in der Storkyrkan und im Kungliga Slott stattfinden. Es sind über 1.000 Gäste aus allen Himmelsrichtungen geladen.

Die Hochzeit der Kronprinzessin Victoria mit Daniel Westling war eine sehr stimmungsvolle Veranstaltung. Meine Frau Jutta und ich sahen dieses Medienereignis im ZDF in der Zeit von 14 Uhr 30 bis 19 Uhr. Das glückliche Paar hatte großes Glück mit dem Wetter - wie wir auf dieser Skandinavien-Reise beim Besuch der schwedischen Hauptstadt. Fast auf den Tag genau (am 21. Juni 1977) vor mehr als 33 Jahren war ich mit meiner ersten Frau Ulla und meinem Sohn Jochen an all den Plätzen, wo jetzt die prunkvolle Hochzeit stattgefunden hat (siehe Schaubild). Nach dem Besuch der Storkyrkan (Trauungszeremonie) und des königlichen Schlosses (Hochzeitsbankett) und gingen wir teilweise den Weg der Hochzeitskutsche an der Uferstrasse entlang bis zum Vasa-Museum. Das Hochzeitspaar stieg dort in der königliche Barkasse "Vasaorden" mit den Ruderern um, die sie bis zum Schloss zurückbrachten. Wir benutzten ein kleines Fährboot fast auf derselben Route zum Strömmen (dort lagen jetzt die prunkvollen Yachten des dänischen und des norwegischen Königshauses vor Anker).

Es gibt noch eine andere Querverbindung, die mit dem ehemaligen Franzosen Jean Baptiste Bernadotte zusammenhängt. Dieser Marschall (er hatte diese Position als ehemaliger Sergeant unter Napoleon erreicht) der napoleonischen Armee wurde 1810 als Kronprinz nach Schweden geholt, da das damalige Königspaar kinderlos geblieben war. Er zog 1813 gegen Frankreich und Dänemark in den Krieg und in der Folge musste Dänemark sein Besitztum Norwegen abtreten. Norwegen wiederum mußte - gegen seinen Willen - eine Union mit Schweden eingehen, die bis 1905 Bestand hatte. 1818 bestieg Jean Baptiste Bernadotte als Karl XIV. Johann den Thron. Seine Nachkommen sind auch heute noch im Besitze des schwedischen Thrones. In Frankreich wird Bernadotte immer noch als Verräter betrachtet, da er gegen Napoleon gekämpft hat. Im Jahre 1928 ging die deutsche Insel MAINAU (am Bodensee) als Erbe in den Besitz des schwedischen Königshauses über. 1932 übernahm der 23-jährige schwedische Prinz Lennart Bernadotte die Verwaltung dieser Perle im Bodensee und machte sie für seine tropische Blütenpracht berühmt.

Da auch Prinz Lennart Bernadotte in erster Ehe mit einer Bürgerlichen verheiratet war, verzichtete er auf seine Thronansprüche. Im Alter von 95 Jahren starb er am 21. Dezember 2004. Während unserer Radtour zum Bodensee (vom 15. August bis zum 30. August 1959) kamen wir vom Wasserfall von Schaffhausen aus der Schweiz und besuchten bei Konstanz die wunderschöne Insel MAINAU, wo wir in der Nähe auch einen Campingplatz (Litzelstetten-Mainau) für unser 3-Mann-Zelt fanden. Da das Wasser an dieser Stelle sehr schlammig und trübe war, wählten wir als weiteres Domizil am Bodensee den kleinen Ort Ludwigshafen auf der gegenüberliegenden Seite. Unter dem Thema "Reisen meiner Jugend" werde ich auch diese Abenteuerreise (Startpunkt: Brühl bei Mannheim) mit zwei Freunden ausführlich behandeln.


Natürlich werden auf der Gamla Stan nicht nur prunkvolle Hochzeiten des schwedischen Königshaues gefeiert, sondern wir fanden im Gegenteil mehrere stille Plätze bei unserer Wanderung durch die Altstadt (auf einem DIA entdeckte ich eine Wanduhr mit der Uhrzeit - es war gegen 11 Uhr 30 am Dienstagmorgen als wir hier unterwegs waren). Am schmiedeeisernen Tor bei der Tyska Kyrkan fanden wir eine bezeichnende, deutsche Inschrift:
                          
 "Fürchtet Gott! Ehret den König!"

Diese spätgotische Kirche der deutschen Gemeinde wurde 1638 bis 1642 von dem Baumeister Hans Jakob Kristler gebaut, der aus Straßburg zugewandert war.


Auf unserem Spaziergang im alten Zentrum von Stockholm fiel uns auf der gegenüberliegenden Ost-Seite der Gamla Stan ein imponierendes Segelschiff auf, das ohne Besegelung vor der Insel Skeppsholmen vor Anker lag. Bei näherer Betrachtung erkannten wir bei unserem Rundgang den Namen: "af Chapman". Es dient heute als schwimmende Jugendherberge. Unterwegs kamen wir auch am beeindruckenden Grand Hotel vorbei. Dort wohnen in einem sehr festliche Rahmen die jährlichen Nobelpreisträger.

Da wir auch das Vasa-Museum besuchen wollten, ging unser Wanderweg weiter bis zur großen Insel Djurgaarden, an dessen westlichen Ende das interessante Schiffsmuseum liegt. Den Rückweg erleichterten wir uns, in dem wir ein kleines Fährboot zurück zum "Strömmen" auf der östlichen Seite der Gamla Stan benutzten. Welche Geschichte versteckt sich hinter der VASA? Eigentlich sollte das Schiff VASA der Stolz der schwedischen Kriegsmarine werden. Doch beim Stapellauf, am 10. August 1628, ging es nach weniger als 500 m mit Mann und Maus unter.

Der schwedische König Gustav II. Adolf gab den Auftrag für den Bau des größten Kriegsschiffes jener Zeit. Er befand sich damals im Krieg mit Polen und erfuhr von den Plänen seiner Gegner, ein ebenso mächtiges Schiff zu bauen. Deshalb liess Gustav II. Adolf mehr Kanonen als geplant an Bord schaffen. Das brachte jedoch die gesamte Statik des Schiffes durcheinander. Es lag so tief, dass bei entsprechendem Wellengang sehr leicht Wasser durch die unteren Geschützluken eindringen konnte. Zwei Windstöße genügten, um die Jungfernfahrt zur Katastrophe werden zu lassen, die über 30 Seeleuten das Leben kostete. Auch der Kapitän wurde verantwortlich gemacht, da die Geschützluken unvorschriftsmässig geöffnet waren.

Sofort nach dem Untergang versuchte man, die VASA zu heben. Doch nur die Kanonen konnten mit Hilfe einer Taucherglocke geborgen werden (eine technische Meisterleistung für die damalige Zeit). Normalerweise ist ein derartiges Wrack ein Fressen für den Schiffsbohrwurm. Doch das brackige Wasser der Ostsee mied der Schiffsbohrwurm und die VASA blieb unter Wasser intakt. Im Jahre 1953 begab sich der schwedische Ingenieur und Wrackforscher, Anders Franzen, auf die Suche nach der VASA und wurde drei Jahre später vor der Werftinsel Beckholmen fündig. Er benutzte dabei ein Lot, in dem beim Absenken Holzteile des Wracks hängenblieben. 1957 - also 333 Jahre nach dem Untergang - kam die VASA mit ihrer vollständigen Ausstattung wieder ans Tageslicht.

Wir besuchten die VASA in einem dämmrigen Raum mit einer relativ hohen Luftfeuchtigkeit. Diese permanente Konservierung ist erforderlich, damit das Schiff nicht zerfällt. Über 20 Jahre später erzählte ich die Geschichte der VASA meiner zweiten Frau JUTTA, die als Tagesmutter arbeitet. Eines ihrer ersten Tageskinder war der pfiffige Dennis, der sich bereits im Alter von 3 Jahren für das Unglück der VASA interessierte. Sie erklärte ihm, dass der Kapitän damals zu viele Scheiben WASA-Knäckebrot auf das Schiff laden liess und es deshalb versank. Dennis war von dieser Katastrophe begeistert und Jutta erweiterte das Thema mit der Variante, dass man in Schweden Knäckebrot in entsprechenden Bergwerken gewinnt. JUTTA's Geschichten über meine Abenteuer in Südamerika sind bei ihren Kindern ebenfalls sehr beliebt und machen auch einen Teil ihres Erfolges aus.


Da wir erst gegen 14 Uhr von Stockholm in Richtung Norden weiterfuhren, schafften wir nur eine Entfernung von 240 km und kamen am Dienstagabend bis nach Söderhamn am Bottnischen Meerbusen. Wir fanden einen idyllisch gelegenen Campingplatz südostlich von Söderhamn. Lusnjefors Camping (bei Lusjne) lag direkt an der Ostsee und wir hatten dort mehrere Hütten zur Auswahl. Die Abendstimmung war einmalig, denn mit der untergehenden Sonne färbten sich die blonden Haare von Jutta und Jochen rostig-rot. In einer unwirklichen, aber interessanten Stimmung verabschiedete sich die Sonne im Westen. Bereits hier ließ sich der Einfluß der Mitternachtssonne erkennen, die zu dieser Jahreszeit weiter nördlich nicht untergeht.

Am Mittwochmorgen, den 22. Juni 1977, begeben wir uns auf eine weitere Etappe in Richtung Norden. Diesmal wollten wir Haparanda an der Grenze nach Finnland erreichen. Wir mußten dazu eine Entfernung von ca. 800 km zurücklegen. Der Tag begann mit einem Frühstücks-Picknick am Strassenrand, nachdem wir uns in einem Supermarkt in Söderhamn mit Proviant versorgt hatten. Söderhamn hat 30.000 Einwohner und erhielt im Jahre 1620 die Stadtrechte durch König Gustav II. Adolf (der auch die VASA bauen liess). Die Bedeutung der Stadt entstand durch die große Waffenschmiede (sie besteht heute nicht mehr), die das schwedische Kriegsheer mit Musketen versorgte.

Die Fahrt (auf der E04) entlang der Küste des Bottnischen Meerbusens vermittelte uns bereits einen Eindruck der Einsamkeit und der unberührten Natur. Das Wetter änderte sich. Der Sonnenschein, der uns bisher begleitet hat, verschwand von Zeit zu Zeit hinter Regenwolken und es wurde merklich kühler. Jochen versuchte sich als Angler und Steinewerfer, während meine Frau den Kaffee für die Pausen richtete. Wir fanden in dieser Umgebung sehr viel Ruhe und Gelassenheit, die sich auch auf uns übertrug und uns während der gesamten Nordkap-Tour nicht mehr verließ. Noch heute vermittelt sich mir der Eindruck, das wir von nun an immer alleine unterwegs waren - nicht einmal Touristen begegneten uns, die sich auf dem Rückweg befanden.

Ein ganz besonderer Campingplatz war Kukkolaforsen, der ca. 15 km nördlich von Haparanda lag. Neben zahlreichen Hütten gab es dort eine finnische Sauna ("Bastu" stand an diesem Blockhaus). Das kalte Wasser nach der Sauna fand man im nahegelegenen Grenzfluß Tornijonjaki. Obwohl ich damals ein regelmäßiger Saunagänger war, habe ich die Möglichkeit zum Saunieren leider nicht genutzt.

Haparanda wurde im Rahmen des Friedensbeschlusses von 1809 (Schweden verlor mit dem verbündeten England gegen Russland und Frankreich) gegründet, nachdem die östliche Nachbarstadt Tornio als Teil Finnlands (das damals als Provinz zu Schweden gehörte) an Russland abgetreten werden mußte. Damit ging die neue Grenze mitten durch das finnischsprachige Gebiet Schwedens mit dem Verlust der Handelsstadt Tornio. Deshalb wurde Haparanda aufgebaut, um diesen Verlust zu ersetzen.Über den großen Bahnhof von Haparanda wurden während des Ersten Weltkrieges Gefangene und Verwundete der Russen und der Mittelmächte (Deutschland, Österreich) ausgetauscht. Heute sind Haparanda und Tornio Schwesterstädte, die zwar durch den Grenzfluß Tornijonaki voneinander getrennt und trotzdem eng miteinander verbunden sind. Es ist kein großer Kulturunterschied zu bemerken.


Im finnischen Teil unserer Nordkap-Tour änderte sich nochmals die Landschaft, denn wir fuhren nun landeinwärts weiter in Richtung Norden. Wir entdeckten auf den Flüssen große Holzflosse, mit denen die vielen Baumstämme abtransportiert wurden. An diesem Donnerstagmorgen, den 23. Juni 1977, erreichten wir nach ca. 100 km das Verwaltungs-, Wirtschafts- und Kulturzentrum von Lappland, die Stadt Rovaniemi (Einwohnerzahl 35.000). Von hier sind es noch ca. 600 km bis zum Nordkap. Wir wollten auf dieser Tagesetappe aber nur bis Inari (in 350 km Entfernung) weiterfahren. Rovaniemi bestand früher wie auch die anderen Orte der nördlichen Region fast nur aus Holzhäusern. Im Rahmen der Kampfhandlungen zwischen deutschen und finnischen Truppen - während des "Lappland-Krieges" (Winter 1944/1945) - brannte die evakuierte Stadt zu mehr als vier Fünfteln ab. Noch Jahre danach beschimpften Finnen Deutsche als "Lapplandverbrenner". Nach Plänen des berühmten, finnischen Architektes Alvar Alto wurde Rovaniemi nach dem Kriege wieder aufgebaut.

In einer Entfernung von ca. 8 km nördlich von Rovaniemi  kreuzt die Strasse Nr. E75 nach Inari den Polarkreis. Ab dieser Breite kann in den Monaten Juni und Juli die Mitternachtssonne beobachtet werden. Hier ist auch die Trennung der Polarzone von der nördlichen gemäßigten Klimazone. Am Tag der Sommersonnenwende, am 22. Juni (wir waren einen Tag später hier), erreicht der Weg der Sonne seine größte Neigung, so dass diese auch um Mitternacht in diesen Breitengraden am Himmel steht. Bezogen auf den Polarkreis ist dieses Phänomen des Polartages nur am 22. Juni zu beobachten (allerdings nur bei klarem Himmel). In Richtung Norden nimmt die Dauer zu. Uns gelang die eindrucksvolle Beobachtung der Mitternachtssonne in Norwegen (auf dem Campingplatz von Skibotn in der  Nähe von Tromsö). Ich hatte meine Kamera mit dem Stativ aufgestellt und im Abstand von je einer Stunde die Mitternachtssonne aufgenommen. Leider wurde dieser DIA-Film aus mir unerfindlichen Gründen bei der Entwicklung beschädigt und die interessanten Bilder gingen verloren.


Mit dem Überschreiten des Polarkreises galten für das Fahren andere Bedingungen. Da nun größere Entfernungen ohne Tankstationen überbrückt werden mußten, war dies in der Logistik zu berücksichtigen. Auch mußte man von nun an mit Elchen und Rentieren rechnen, die urplötzlich den Weg kreuzen konnten. Von wichtiger Bedeutung war auch der einwandfreie Zustand meines Fahrzeuges, einem AUDI 100. Vor der Mückenplage in Lappland hatte man uns ausdrücklich gewarnt. Von haben aber davon garnichts verspürt. Vielleicht hing dies mit dem relativ kalten Wetter und dem bedeckten Himmel zusammen.

Bei meiner Firma KRUPP Chemieanlagenbau in Essen (1969 bis 1972) hatte ich in meinem älteren Kollegen, Dipl.-Ing. Regel, einen sehr hilfsbereiten und verständnisvollen Freund. Nach zwei älteren VW-Modellen (ich besitze den Führerschein Klasse 3 seit dem 12. Mai 1964) wollte ich Ende 1971 einen komfortableren Gebrauchtwagen kaufen, da wir mehrmals im Jahr mit unserem kleinen Sohn Jochen von Essen nach Brühl bei Mannheim fuhren, um unsere Eltern zu besuchen. Herr Regel kam überraschenderweise mit dem Vorschlag, einen Jahreswagen bei AUDI in Ingolstadt zu kaufen. Der Grund: er hatte dorthin Beziehungen, denn sein Schwager arbeitete damals im Vorstand bei AUDI.

Deshalb fuhr ich am 26.11.1971 mit dem Zug von Essen nach Ingolstadt, um mein neues Auto, ein roter AUDI 60, abzuholen (Kilometerstand: 37.962 km, Preis: 5.765,34 DM). Ohne größere Probleme legte ich mit diesem komfortableren Wagen bis zum Verkauf, am 27. November 1976 (Erlös 1.650,- DM), über 100.000 km zurück (darunter waren zahlreiche Urlaubsfahrten zum Sommerurlaub an die Cote d'Azur und zum Winterurlaub in die Dolomiten nach Italien). Da meine Versetzung nach Kopenhagen anstand, wollte ich Anfang Dezember 1976 ein neueres Auto kaufen und nahm deshalb wieder Kontakt mit AUDI in Ingolstadt auf.


Diesmal kaufte ich am 1. Dezember 1976 einen malachit-metallic-farbenen Jahreswagen AUDI 100 mit einem Kilometerstand von 20.029 km zum Preis von 12.370,95 DM. Mit diesem zuverlässigen und bequemen Wagen unternahm ich nun die Nordkap-Tour und wurde nicht enttäuscht. Probleme gab es erst im Januar 1978 als ich mein deutsches Nummernschild (KA-TS 126) gegen ein dänisches Kennzeichen (HK 46069) umtauschen mußte. Die dänische Finanzverwaltung wollte nun den Kaufpreis meines Wagens erneut als Steuer kassieren. Ich einigte mich mit der Behörde auf eine Ratenzahlung von 10 Prozent pro Jahr, die mir von meiner Firma NIRO ATOMIZER A/S in Kopenhagen erstattet wurde (da ich Dänemark Mitte 1980 in Richtung Holland verlies, hatte ich 30 Prozent meines Wagenwertes zusätzlich als Luxussteuer bezahlt). Große Freude hatte mit meinem Auto ab September 1980 ein dänischer Nachbar, dem ich meinen AUDI 100 beim Kilometerstand von 107.000 km zum Preis von 25.000 Dkr. verkaufte. Als Technical Manager erhielt ich ab diesem Zeitpunkt bei NIRO ATOMIZER Holland einen neuen AUDI 100 als Dienstwagen.

Nach dem obligatorischen Foto am Polarkreis ging die Reise am Donnerstag, den 23. Juni 1977, in nördlicher Richtung weiter bis zur kleinen Siedlung Inari. Diese liegt am Inarisee, der der drittgrößte See Finnlands ist und mehr als eine doppelt so große Fläche wie der heimische Bodensee hat (den ich bereits 1959 auf unserer großen Radtour kennenlernte). Im See sind über 3.000 Inseln verteilt. Es ist eine sehr faszinierende Landschaft. Das Gebiet am Inarisee ist sehr dünn besiedelt - obwohl es mit 17.000 km² die flächengrößte Gemeinde Finnlands ist. In dem Ort Inari (an der Mündung des fischreichen Joenjoki in den Inarisee) leben nur 550 Menschen. Hier übernachteten wir erstmals auf unserer Reise in einem Sommerhotel (normalerweise eine Schule, die während der Sommerferien als Hotel verwendet wird).

Am Freitag, den 24. Juni 1977, wollten wir das eindrucksvolle Finnland wieder verlassen, um über die norwegische Grenze in das 330 km entfernte Hammerfest zu gelangen. Unterwegs begegneten wir erstmals zahlreichen Rentieren, die sich in der umliegenden, hügeligen Landschaft frei bewegten. In hölzernen Verkaufsständen unterwegs verkauften einfach gekleidete Samen (Lappen) Felle und Geweihe der Rentiere. Auf unserer Nordkap-Tour haben wir uns auch ein Rentierfell gekauft. Es machte uns aber keine große Freude, denn es begann sehr schnell zu haaren. Mein Freund und Arbeitskollege Ole ("der letzte Wikinger") verwendete das Fell später als dekorativen Wandschmuck in seinem Haus in Lyngby (bei Kopenhagen).


Kurz nach der finnischen Grenze gelangten wir in Norwegen nach ca. 20 km nach Karasjok. Dieser Ort (mit 2.800 Einwohnern) gilt als die heimliche Hauptstadt der Samen und liegt an der E6, deren östlicher Endpunkt die Hafenstadt Kirkenes an der russischen Grenze ist. Bis dorthin gelangen auch die Postschiffe der Hurtigroute. Auf der E6 in nordwestlicher Richtung ging es dann weiter nach Lakselv (in ca. 74 km Entfernung). Unterwegs legten wir einen Stopp ein. Am Strassenrand fotographierte ich ein Hinweisschild: 40 km bis Lakselv. Nach Lakselv fuhren wir auf der E6 an dem großen Fjord Porsangen entlang in nördlicher Richtung. Nun befanden wir uns wieder an der Küste und gewannen interessante Eindrücke: z.B. eine kleine Insel, die sich parallel zur Küste erstreckte, sah aus wie der Rücken eines Walfisches. Nach ca. 50 km änderte die E4 bei Kistrand wieder die Richtung und es ging landeinwärts in westlicher Richtung bis zu unserem Tagesziel "Hammerfest".

Der erste Eindruck von Hammerfest war imponierend, denn wir kamen über eine Berghöhe (der Höhenzug Salen) und die Bucht mit dem Hafen und den Häusern lag eindrucksvoll unter uns. Viel weniger imponierend waren die Holzhütten, die auf einem Geröllfeld standen (sogar Rentiere kamen hier vorbei). Ich weiß heute nicht mehr, warum wir uns für eine Holzhütte zur Übernachtung in Hammerfest entschieden haben. Vielleicht waren alle Quartiere belegt? Auf jeden Fall war die Hütte ein großer Reinfall, denn wir haben in der Nacht ganz schlimm gefroren. Sogar die Herdplatten, die ich als Heizquelle eingeschaltet hatte, brachten keine Erwärmung. Der Rest aus der Cognac-Flasche, die ich aus einem Duty Free Shop von meiner England-Reise vor unserer Nordkap-Tour mitgebracht hatte, half mir etwas bei meiner inneren Erwärmung - was meiner Frau aber garnicht gefiel und mir entsprechende Vorwürfe einbrachte. Wenn unser Sohn nach unserer Rückkehr über die Nordkap-Reise befragt wurde, denn antwortete er immer wie aus der Pistole geschossen:
"In HAMMERFEST, da haben wir fest gefroren!"

Hammerfest (9.000 Einwohner)  hat einen eisfreien und geschützten Hafen und liegt auf der Westseite der 339 km² großen Insel Kvaloey. Im Jahre 1789 erhielt Hammerfest das Stadtrecht. Leider ist sie nicht mehr die nördlichste Stadt der Welt, da Honningsvaag beim Nordkap vor kurzem ebenfalls Stadtrechte bekommen hat. Hammerfest ist Ausgangspunkt für die Fischerei im nördlichen Eismeer und mit der Fischfabrik FINDUS befindet sich ein wichtiger Arbeitgeber im Hafengelände. Als wir den Hafen besichtigten, war gerade das norwegische Fernsehen anwesend, um eine junge Musikgruppe in ihren prächtigen, roten Uniformen zu filmen.

Wegen der langen Polarnacht, die vom 21. November bis zum 23. Januar dauert, ist verständlich, dass in Hammerfest als erster Stadt Europas vor mehr als 100 Jahren eine elektrische Strassenbeleuchtung installiert wurde. Die Mitternachtssonne dauert vom 17. Mai bis zum 28. Juli. Auch hier haben die deutschen Truppen (in Finnland nannte man sie "Lapplandverbrenner") ihre zerstörerischen Spuren hinterlassen: nach der Zwangsevakuierung 1944 wurde die Stadt von den Deutschen dem Erdboden gleichgemacht. Unterhalb des Höhenzuges Salen und am Meer wurden die Häuser nach dem Kriege wieder aufgebaut. Seit Jahren profitiert Hammerfest vom norwegischen Ölboom. Die Postschiff der Hurtigroute laufen Hammerfest täglich an. Normalerweise kann man mit Schnellbooten in 6 Stunden nach Honningsvaeg auf der Insel Mageroeya gelangen, um von dort mit dem Bus oder Taxi das Nordkap zu erreichen. Leider war es Ende Juni noch viel zu kalt und der Weg zum Nordkap war eingeschneit. Deshalb war auch die Schnellboot-Verbindung zu unserer Zeit eingestellt.


Bei einem ausgezeichneten Abendessen (es gab u.a. "Graved Laks") versöhnten wir uns mit dem Gedanken, auf dieser Tour aus Wettergründen nicht das Nordkap erreichen zu können. Und am kommenden Samstagmorgen, den 25. Juni 1977, schlug der unangenehme Wettergott wieder zu: es regnete in Strömen als ich unser Auto mit dem Gepäck belud. Andrerseits fiel es uns nun auch leicht, uns wieder in südlichere Gefilde zu begeben. Als Tagesziel wollten wir am 6. Tag den Campingplatz in Skibotn in 430 km Entfernung erreichen. Deswegen fuhren wir zurück nach Skaidi, wo wir wieder auf die E6 trafen (die wir hier auf dem Weg nach Hammerfest verlassen hatten).

Nun durchquerten wir in südwestlicher Richtung eine Hochebene, auf der sich "Hund und Katz Gutenacht  sagten" (das Sennalandet mit  Erhebungen von 662 bzw. 671 Meter). Dort fanden wir wieder Verkaufsstände der Samen, die sich aber offensichtlich besser auf die Touristen der Nordkap-Tour eingestellt hatten. Sie trugen ihre landestypische Tracht und das Angebot war sehr viel umfangreicher als wir es in Finnland kennengelernt hatten. Bei Rafsbotn kamen wir auf einer kurvenreichen Strecke herunter zum Altafjorden, an dessen südlichen Bucht die Stadt Alta liegt.

In dieser Bucht sah ich erstmals den berühmten Stockfisch, der auf einem großen Gestell zum Trocken aufgehängt war. Um den Trockenfisch vor Möven zu schützen, waren über den Fischen Netze gespannt. Fast 20 Jahre später entdeckte kleinere Gestelle mit Stockfischen auf der Insel LANZAROTE. Auf einer spannenden Radtour mit einem geliehenen Mountainbike kam ich über die Gebirgskette bei Haria zum Fischereihafen Orzola, wo ich den Stockfisch fand (siehe Reisebericht "Lanzarote").

Alta hat 17.000 Einwohner und ist die größte Stadt des Verwaltungsbezirkes Finnmark (zu dem auch Lakselv und Kirkenes gehören). Sie liegt an der E6  und dort mündet der Alta-Fluß (der bekannteste Lachsfluß Norwegens) in den Altafjord. In Alta ist die Mitternachtssonne vom 16. Mai bis zum 26. Juli zu sehen und die Polarwinter dauert vom 24. November bis zum 1. Januar. Fährt man von Alta in westlicher Richtung an der Küste entlang, so gelangt man nach Kaafjord. Dort hielt sich während des Zweiten Weltkrieges das deutsche Schlachtschiff "Tirpitz" versteckt, bis es 1943 von britischen Mini-U-Booten versenkt wurde.

Wir nutzten die schöne Aussicht am Altafjord zu einer Kaffeepause und ein kurzer Blick auf unseren eleganten AUDI 100 zeigte uns, welche unbefestigten Strassen wir auf dem Weg von Hammerfest nach Alta bewältigt hatten. Der Dreck an der Karosserie wäre heutzutage die richtige Dekoration für einen Geländewagen mit Vierradantrieb (damals gab es derartige Fahrzeuge für private Nutzer noch garnicht). Danach freuten wir uns schon auf unsere Holzhütte auf dem  Campingplatz von Skibotn, denn das Wetter war besser geworden und der Regen hatte nachgelassen. Bei Skibotn mündete die E8, die von Finnland kommt, in die E6, auf der wir seit einiger Zeit unterwegs waren. Abseits von der üblichen Nordkap-Route in Norwegen ging es dann auf der E8 weiter nach Tromsö.

Obwohl es etwas wärmer wurde, konnte man den Einfluß des Winters immer noch an den umliegenden Bergen erkennen, denn diese waren immer noch schneebedeckt - genauso wie wir es auf der Fahrt von Hammerfest immerwieder erlebt hatten. Die Sonne stand den ganzen Tag am Himmel und dies war für mich auch der Anstoß, die Mitternachtssonne zu fotographieren. Wie ich bereits berichtet habe, ging diese Aktion aber vollständig daneben. Vielleicht ist mir das Schicksal gnädig und gibt mir nochmal in diesem Leben eine Chance (offene Lizenzforderungen!), den Lauf der Mitternachtssonne festzuhalten. Mit meiner zweiten Frau Jutta (sie ist 12 Jahre jünger als ich) habe ich schon unglaubliche Abenteuer erlebt (siehe z.B. den Reisebericht "Irland" ) und mit ihr würde ich gerne diese Nordkap-Reise wiederholen. Sie könnte sich aber auch eine gemütliche Tour mit dem Postschiff auf der Hurtigroute vorstellen.





Am Sonntag, den 26. Juni 1977, hatten wir uns eine kurze Etappe (auf der E8) vorgenommen, denn wir wollten in ca. 120 km Entfernung die interessante Stadt  Tromsö besuchen und dort übernachten. Und wieder (wie in Inari/Finnland) haben wir uns für ein bequemes Sommerhotel entschieden. Es ist immer noch bemerkenswert, wie mein Sohn Jochen mit seinen 6 Jahren (geboren am 12. Februar 1971 in Essen-Werden) diese strapaziöse Reise ohne größere Probleme gemeistert hat. Typisch ist ein Bild von damals (vor Tromsö aufgenommen), das ihn beim entspannten Spielen auf einer Wiese zeigt. Diese halbe Stunde brauchte er täglich.


Die Hafenstadt Tromsö hat 58.000 Einwohner und liegt auf einer kleinen Insel, die mit dem Festland durch die Tromsö-Brücke (mit einer Durchfahrtshöhe von 43 m) verbunden ist. Eine besondere Attraktivität ist die Eismeer-Kathedrale (1965 von Jan Inge Hovig gebaut), die wir besucht und im Inneren fotographiert haben. Sie symbolisiert mit ihren beindruckenden Glasmalereien die dunkle Polarnacht und das Nordlicht. Der Ort entstand im 13. Jahrhundert und erhielt 1794 das Stadtrecht. Viele Polar-Expeditionen starteten vom Tromsö-Hafen - deshalb der Name "Tor zur Arktis". Zahlreiche bekannte Forscher, wie die Norweger Fridtjof Nansen und Roald Amundsen, begannen hier mit ihren Forschungsreisen. Von Roald Amundsen entdeckte ich in Tromsö ein Denkmal, auf dessen Kopf sich sinnigerweise gerade eine Taube niedergelassen hatte. Die Postschiffe der Hurtigroute legen hier täglich an. Im Sommer kann die Temperatur bis auf 25 grd. C ansteigen. Deshalb fielen uns in den Vorgärten auch die zahlreichen Blütenpflanzen auf. Interessant war das Kabellegerschiff, das im Hafen vor Anker lag.


Auf unserem Weg in Richtung Süden verliessen wir am 8. Tag (am Montagmorgen, den 27. Juni 1977) die E8 bei Nordkjosbotn und fuhren auf der E6 weiter. Eines der wenigen Fotos des Fahrers entstand während der Kaffeepause in der Nähe von Moen. Nun wurde die gesamte Landschaft sehr viel eindrucksvoller und zeigte auch einen Hauch von Frühlingserwachen. Hier sahen wir erstmals die berühmten norwegischen Fjorde und besonders malerisch lag die Hafenstadt Narvik am Ofotfjorden. Dies ist auch eine beliebte Anlegestelle für die Spitzbergen-Kreuzfahrten im Sommer. Als wir an Narvik vorbeifuhren, konnten wir im Hafen ein Kreuzfahrtschiff erkennen.

Die Hafenstadt Narvik hat 18.500 Einwohner und liegt am westlichen Ende einer Halbinsel. Durch den Ofotfjord ist diese mit dem Atlantik verbunden. Im Jahre 1902 erhielt Narvik die Stadtrechte. Am eisfreien Hafen endet die Ofotbahn (schwedisch Lapplandbahn), die Erz vom schwedischen Kiruna anliefert. Im Zweiten Weltkrieg besetzten die deutschen Truppen Norwegen, um in Narvik die Zufuhr schwedischer Erze zu sichern. Es gab erbitterte Kämpfe mit den Engländern und die Stadt Narvik wurde sehr stark zerstört. In den 50er-Jahren ersetzte man die alten Holzhäuser durch einfache Steinbauten.


Die Reise ging weiter auf der E6 bis zum Campingplatz Bognes, der ca. 90 km von Narvik entfernt lag. Kurz vor dem Ziel durften wir unsere erste Fähre auf der Nordkap-Tour benutzen, die uns in 25 min über den Tysfjorden brachte. Diese verkehrt in der Zeit vom 12. Juni bis zum 23. August stündlich. Auf der folgenden Etappe (9. Tag nach Mosjoen) benutzten wir unsere zweite Fähre von Sommarset nach Bonnaasjoen über den Lejrfjord. Seit 1986 gibt es diese Fährverbindung nicht mehr, denn nun existiert eine 31 km lange Strasse mit 6 Tunneln.

In Bognes fanden wir eine sehr schöne Holzhütte, die direkt am felsigen Strand des Tysfjorden lag. In Erinnerung habe ich immer noch das nervöse Gezwitscher der Strandläufer, die in der Nähe auf und ab spazierten. Jochen ließ sich von den Vögeln nicht stören und übte sich wieder einmal als Steinewerfer. Am folgenden 9. Tag (Dienstag, den 28. Juni 1977) lag eine Strecke von 420 km vor uns, bis wir den Campingplatz von Mosjoen erreichten. Wir gelangten wieder in höhere Bereiche und konnten von hier die immer noch schneebedeckte Landschaft erkennen (dies ist einer der bleibenden Eindrücke: Frühlingsstimmung und Winterimpressionen wechselten sich auf unserer Nordkap-Tour immerwieder ab). Bei Fauske entdeckten wir die Eisenbahnlinie der Nordlandbahn, die von Trondheim kommt und 1962 bis zur Endstation Bodö fortgeführt wurde.


Ein besonderer Moment war auf dieser Etappe die erneute Überquerung des Polarkreises (dieses Mal in südlicher Richtung). Am 4. Tag hatten wir in Finnland bei Rovaniemi den Polarkreis in nördlicher Richtung passiert. Bei den jeweiligen Wetterverhältnissen ergaben sich beträchtliche Unterschiede. In Finnland blühten die Blumen (dort lag die Passage auf Meereshöhe) und in Norwegen (bei Stödi) gab es Berggipfel (der Bolma in westlicher Richtung) mit 1.506 Meter Höhe und das Klima war entsprechend rauh. Der Campingplatz von  Mosjoen und die schöne Holzhütte übertraf unsere Vorstellungen, denn hier herrschten nahezu Sommerbedingungen. Jochen beobachtete voller Begeisterung junge Camper, die gemeinsam ihr Hauszelt aufbauten. Gerne wären wir noch einen Tag länger geblieben (es hatte erstmals den ganzen Tag die Sonne geschienen) - aber andrerseits zog es uns auch weiter in Richtung Süden - der Heimat entgegen.

Am darauffolgenden Mittwoch, den 29. Juni 1977, wollten wir auf jeden Fall die größere Stadt Trondheim erreichen. Dazu mußten wir eine Strecke von ca. 400 km zurücklegen. Auf einem Rastplatz in der Nähe von Steinkjer kam es durch eine Unachtsamkeit zu meinem ersten Unfallschaden an meinem AUDI 100. Beim Zurückfahren hatte ich wohl vergessen, dass sich hinter mir ein Hinweisschild befand, das an einem senkrechten Rohr befestigt war. So handelte ich mir eine kleine Beule am Kofferraumdeckel und an der Stoßstange ein. Ich war erst etwas ärgerlich, dass meine Mitfahrer beim Rückwärtsfahren nicht mit aufgepasst hatten. Die Beule an der Stoßstange habe ich vor Ort beseitigt und den Schaden am Kofferraumdeckel später mit einem Aufkleber (Dänemark-Emblem) verdeckt. Im August 1977 besuchte ich mit meinen Eltern (sie waren zu Besuch bei uns in Farum) unsere Verwandten von Dänemark aus in Stralsund (DDR). Als ich einmal meinen Wagen im dortigen Stadtzentrum parkte, um etwas zu erledigen, hatte man in der Zwischenzeit den Aufkleber als Souvenier entfernt.

Auch in  Trondheim mieteten wir wieder eine Holzhütte auf einem Campingplatz, der sehr malerisch am Trondheimsfjorden lag. Trondheim ist die drittgrößte Stadt Norwegens und hat 151.000 Einwohner. Das 1000-jährige Jubiläum der Stadt Trondheim wurde im Jahre 1997 sehr feierlich zelebriert. Für die Besichtigung dieser interessanten Stadt nahmen wir uns leider keine Zeit, denn es drängte uns weiter in Richtung Süden. Deshalb packten wir am folgenden Morgen (11. Tag - Donnerstag, der 30. Juni 1977) unseren Wagen und fuhren frohen Mutes nach Lillehammer (Entfernung: 390 km). Auf dem Weg dorthin kamen wir bei Dombaas ins wunderschöne Gudbrandsdal, das sich von dort über eine Entfernung von 200 km entlang des Flusses Laagen bis nach Lillehammer erstreckt.

Auf dem Weg nach Lillehammer fuhren wir bei Hunder an der Hunderfossen-Talsperre vorbei, die 280 m lang ist und eine Höhe von 16 m hat. Der Damm ist befahrbar. Dahinter liegt ein 7 km langer künstlicher See. Die Staustufe ist auch mit einer Fischtreppe versehen. Am südlichen Ausgang des Gudbrandsdal lag der bekannte Ferienort Lillehammer mit 25.000 Einwohnern. Im Jahr 1994 fanden dort die Olympischen Winterspiele statt. Südlich von Lillehammer gab es am oberen Ende des Mjösa-Sees einen sehr schönen Campingplatz, auf dem wir die letzte Nacht (die 11. Etappe unserer Nordkap-Reise) in einer Hütte verbrachten.

Der Mjösa ist der größte See Norwegens (362 km²) und hat im Frühsommer mit dem Schmelzwasser des Nordens eine sehr schöne, grünliche Farbe. Auf dem See verkehrt ein alter Raddampfer, den ich fotographiert habe. Natürlich lachte auch mein Herz als alter Kanu-Fahrer und ich lud meine Familie zu einer Tour mit dem Ruderboot auf dem Mjösa ein. Ein Foto von damals zeigt mir noch heute, dass das Ganze bei dem entsprechenden Wellengang eine sehr wacklige Aktion war und meine Fahrgäste sehr verängstigt im Ruderboot saßen. Obwohl ich DLRG-Rettungsschwimmer bin, habe ich aus heutiger Sicht zuviel gewagt, denn es fehlten die heutzutage obligatorischen Rettungswesten.

Auf unser folgendes Etappenziel (am 12. Tag - Freitag, den 1. Juli 1977), die norwegische Hauptstadt Oslo (mit 512.000 Einwohnern), freuten wir uns schon sehr. Wir mußten nur eine kurze Strecke von 120 Kilometer zurücklegen. Die Stadt liegt am nördlichen Ende des 100 km langen Oslofjordes. Nicht zu übersehen ist oberhalb von Oslo die Sprungschanze von Holmenkollen. Uns interessierte vor allem die Halbinsel Bygdöy mit den interessanten Schiffsmuseen. Die Fahrt dorthin dauerte 40 Minuten mit einem Boot vom Rathauskai aus. Während dieser Tour gewann man einen sehr schönen Eindruck von der Festung Akershus und dem roten, zweitürmigen Rathaus. Wir fuhren auch an größeren Schiffen vorbei, die im Hafen lagen.

Als erstes besichtigten wir die FRAM ("Vorwärts"). Mit diesem Schiff unternahm der Polarforscher Fridtjof Nansen 1893 eine Forschungsreise von den Neusibirischen Inseln ("Nowaja Semlja") ins Nordpolarmeer, die erfolgreich verlief. 1895 gelangte er bei dem Versuch, von der im Packeis eingeschlossenen FRAM aus mit drei Schlitten, zwei Kajaks und 28 Schlittenhunden auf Skiern den Nordpol zu erreichen, nur bis 86 Grad nördlicher Breite. Mit seinem Begleiter, dem Landsmann Hjalmar Johannsen, mußte er am Franz-Josef-Land ein Jahr überwintern, bis er wohlbehalten wieder nach Norwegen zurückkehren konnte. Auf der ausgestellten FRAM konnte Jochen sich wie ein richtiger Steuermann und Polarforscher fühlen.

Wir hatten großes Glück, denn vor der Museumsinsel lag gerade das imposante portugiesische Segelschulschiff "SAGRES II" vor Anker, das auch besichtigt werden konnte. Dieses Schiff wurde 1938 für die deutsche Kriegsmarine auf der Hamburger Werft BLOHM & VOSS unter dem Namen "Albert Leo Schlageter" gebaut. Nach dem Kriege gehörte es der brasilianischen Kriegsmarine. Auch hier nahm Jochen sehr schnell Besitz von dem Ruder und wir bewunderten das abenteuerliche Leben auf diesem Schulschiff.

Gegenüber dem FRAM-Museum befindet sich in einem weiteren Gebäude, die "KON-TIKI" - ein Floß, das aus Balsaholz gefertigt wurde. Mit diesem Schiff segelte der norwegische Forscher Thor Heyerdahl mit fünf weiteren Besatzungsmitgliedern vom 28. April bis zum 7. August 1947 von der peruanischen Hafenstadt Callao zu den ostpolynesischen Osterinseln. Man kann auch das 14 m lange Papyrusboot "RA II" bewundern, mit dem Thor Heyerdahl und einer Besatzung aus 8 Nationen 1970 den Atlantik bezwungen haben.

Nach diesen vielen atemberaubenden Eindrucken hatten wir nun eine große Sehnsucht nach unserem Zuhause in Kopenhagen. Im Autoradio vernahmen wir unglaubliche Nachrichten über das herrliche Sommerwetter in Dänemark und wir träumten schon vom wunderschönen Sandstrand in Tsvildeleje, der nur ca. 40 km nördlich von Farum an der Nordküste unserer Heimat-Insel Seeland lag. Mich hielt nichts mehr zurück: nach einer eindrucksvollen Abendstimmung mit einer kleinen Pause bei der schwedischen Hafenstadt Uddevalla (mit einer großen Werft am Byfjord) legte ich die Entfernung von 540 km (Oslo bis Farum in Dänemark) ohne große Schwierigkeiten zurück. Ich kann mich noch an die Öresund-Fahre erinnern, die uns am Samstagmorgen, den  2. Juli 1977, gegen 5 Uhr wieder wohlbehalten nach Dänemark (nach einer Fahrtstrecke von mehr als 5.300 km) zurückbrachte. Noch am selben Tag kauften wir uns einen Grill und fuhren zu unserem Traumstrand nach Tisvildeleje, wo wir uns als FKK-Badegäste (wie wir es von Südfrankreich her kannten) in die Wellen stürzten. Mein wunderschöner und erlebnisreicher Urlaub endete erst Dienstag, den 5. Juli 1977, so daß wir noch mehrere, tolle Badetage hatten.

Diese Nordkap-Reise unternahm ich unter der Prämisse meines dreijährigen Aufenthaltes als Koordinations-Ingenieurs bei unserer befreundeten dänischen Firma NIRO ATOMIZER A/S in Kopenhagen. Ich war immer noch Mitarbeiter meiner deutschen Firma WIEGAND Karlsruhe GmbH, die auch meinen Aufenthalt in Dänemark finanzierte. Aber diese Bedingungen änderten sich nach meiner Nordkap-Tour sehr schnell, als NIRO ATOMIZER A/S die französische Konkurrenzfirma LAGUILHARRE in Paris kaufte. Nun mußte ich mich mit meiner Familie entscheiden, ob ich als Gruppenleiter (verantwortlich für den Eindampfanlagenbau) zu NIRO ATOMIZER A/S wechseln oder nach etwas mehr als einem halben Jahr wieder nach Deutschland zurückkehren wollte. Wir entschieden uns für Dänemark und meine neue Firma unterstützte mich beim Kauf eines Reihenhauses, das wir im Oktober 1977 in Alleröd (nördlich von Kopenhagen) bezogen. Fünf Jahre später erlebte ich nach einem anderen, sehr interessanten Tauch- und Bade-Urlaub im Jahre 1982 (siehe Reisebericht "ARUBA und der schönste Strand der Karibik!") ähnlich einschneidende, berufliche Veränderungen, denn nach 6 Jahren als Mitarbeiter des dänischen Konzerns NIRO ATOMIZER entschied ich mich für eine neue Herausforderung als unabhängiger Beratender Ingenieur (Wohnsitz und Büro in Hildesheim).

Fotos und Text: Klaus Metzger

Siehe auch BILDBAND: (IMPRESSIONEN bei Nacht und in der Dämmerung)
                                         (Unterwegs mit dem AUTO)


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